Es
war einmal ein junger Mann, Konstantin mit Namen, der schon von klein auf
anders war als alle anderen. Wenn seine gleichaltrigen Kameraden Räuber und Gendarm
spielten, lag er auf seinem Bett und las Bücher. Wenn die anderen am See
spielten und um die Wette schwammen, untersuchte er die Bäume und Pflanzen am
Seeufer. Wenn die anderen Streiche ausheckten, studierte er die wilden Tiere im
Wald und freundete sich mit ihnen an. Konstantin war ein Sonderling und es
störte ihn wenig, da er mit seiner Welt vollauf zufrieden war.
Eines Tages aber hatte er ein Problem. Er
hatte sich so viel Wissen angeeignet, das sein Kopf ihm für sein Problem
allerlei mögliche Lösungen anbot. „Du kannst dies tun“ sagte eine Seite ihn im
und eine andere antwortete: „Tue besser das und das“. So war Konstantin
gefangen und konnte eigentlich gar nichts machen, weil er sich weder für noch
gegen etwas entscheiden konnte.
So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich
mit anderen Dingen zu beschäftigen und die Lösung seines Problems dem Schicksal
zu überlassen. Und so ging er in den Wald, besah sich wieder einmal die Tiere,
Bäume und Pflanzen und wurde langsam wieder ruhiger. Aber eine Frage
beschäftigte ihn an diesem Tag doch sehr: Wie schaffte man es, alle Kräfte im
Gleichgewicht zu halten, damit man sich immer gut fühlte? Bislang, so dachte
er, hatte er das ganz gut gemanagt, aber ihm schien so, als wenn er eine andere
Ebene der Betrachtung einnehmen würde, die ihm bislang noch nicht zugänglich
gewesen war.
Und mitten im Wald wurde er plötzlich stutzig,
denn ein ungewohntes grellgelbes Licht schien hier auf einmal, das mehr als
ungewöhnlich für den tiefen Wald war. Aber neugierig wie er nun einmal war, zog
es ihn fast magisch zu diesem Ort. Hinter einem Baum versteckt erblickte er
einen Tisch, auf dem viele Utensilien lagen und einige blitzten golden in dem
Licht.
Er
versteckte sich eine Weile und beobachtete. Aber nichts rührte sich und weit
und breit war keine Menschenseele zu sehen, der diese Dinge gehören konnten. So
tastete er sich langsam vorwärts und unter mehrmaligem in alle Richtungen
schauen ging er ganz nah an den Tisch heran.
Als erstes nahm er die rote Robe, die zu
oberst auf dem Tisch lag. Eine innere Stimme riet ihm, die Robe über sein
weißes Kleid zu ziehen. Und als er sie überstreifte, spürte er plötzlich ganz
deutlich, dass er mehr Energie als zuvor hatte. Warum das so war, konnte er
sich allerdings nicht erklären. Dann entdeckte er einen Zauberstab und nahm ihn
zur Hand.
Und
wie von magischer Hand gezogen schoss der Zauberstab gen Himmel und Konstantin
war dem machtlos ausgeliefert, ja, er hatte nicht einmal die Möglichkeit,
seinen Arm wieder herunter zu nehmen. Jetzt wurde ihm doch ein wenig mulmig,
denn hier waren eindeutig magische Dinge am Werke, die er nicht einschätzen
konnte und auch gar nicht in seinem Leben haben wollte.
„Ob du sie haben willst oder nicht, steht hier
eigentlich nicht zur Debatte“, sagte da plötzlich eine Stimme aus dem
Hintergrund, aber Konstantin konnte sich nicht bewegen, um nachzusehen, wer
dort hinter ihm stand. „Ob du es willst oder nicht, du bist der Mittler
zwischen Himmel und Erde. Du bist der Magier, der alle Geschicke lenkt. Du hast
gefragt, wie du die Kräfte beherrschen lernen kannst – gut, hier ist die
Antwort.“
„He, Moment mal“, hob Konstantin zu einer
Abwehr an, denn so genau hatte er es eigentlich nicht wissen wollen und schon
gar nicht mit ihm selbst als lebendes Versuchsobjekt.
Aber
er kam nicht mehr weiter, die Stimme unterbrach ihn sofort: „Du bist das
Bindeglied zwischen Himmel und Erde. Dein ganzes Leben lang forschst du schon
nach den Hintergründen des Seins und hast sie nicht gefunden, weil dir ein
Schlüssel fehlte. Du hast dich als getrennt gesehen – und das ist unmöglich. Du
bist die Kraft der Elemente, die du nutzen solltest. Du hast gedacht, du
benutzt die Kräfte, aber das ist nicht richtig. Du brauchst ein neues
Verständnis der Zusammenhänge, dann wird das für dich begreiflicher.“
Es
entstand eine Pause und Konstantin hatte sich inzwischen an die vermehrte
Energie, die durch seinen rechten Arm in ihn einfloss mehr gewöhnt, denn er
hatte entdeckt, dass er diese unglaublichen Energien durch seinen linken Arm in
den Boden abfließen lassen konnte. So konnte er endlich den Arm wieder herunter
nehmen, aber sich bewegen oder gar umdrehen konnte er noch immer nicht.
Dann
sprach die Stimme weiter: „So will ich dir die vier Kräfte des menschlichen
Daseins erklären. Die erste Kraft ist die Kraft des Gefühls oder auch die Kraft
deiner gesammelten Lebenserfahrungen. Fühle deine Gefühle, lasse sie fließen,
beobachte sie und lerne daraus. Sie sind deine treuesten und wertvollsten
Begleiter. Das Symbol des Gefühls ist der Kelch, in den alles fließt und aus
dem heraus alles genährt werden kann.“ Konstantin nahm den Kelch zur Hand und
betrachtete ihn genau, während er sich die Worte der körperlosen Stimme sehr
gut einprägte. So sollte von heute an jeder Kelch an die Worte erinnern.
Dann
sprach die Stimme weiter: „Die zweite Kraft ist die Kraft des Schwertes, die
sich auf zwei Ebenen ausdrückt. Zum einen als deine Kraft, um die in der
physischen Welt zu wehren. Sie steht für Durchsetzungsvermögen und geistige
Kraft. Aber es ist auch die Kraft des Verstandes, der zuweilen größer sein
möchte als das Herz und seine Gefühle – aber nicht immer richtig. Die Kraft
dieses Elementes soll ausschließlich zum Wohle aller eingesetzt werden und
niemals zum Spaß.“
Und
während die Stimme sprach, hatte Konstantin das Schwert zur Hand genommen und
es hin und her gedreht, so dass es in der Sonne blitzte und funkelte. Und auch
diesmal prägte er sich die Worte sehr gut ein und fortan sollte ihn jedes
Schwert an diese Worte erinnern.
Und
die Stimme fuhr fort: „Die dritte Kraft ist die der Münzen, die ein Symbol für
alle weltlichen Dinge ist. Bewerte sie nicht über, aber unterschätze diese
Kraft auch nicht. Nutze sie weise, dann kann dir in dieser Welt nichts
geschehen.“ Und Konstantin hielt die Münze in der Hand, spiegelte sie in der
Sonne, drehte sie hin und her und nahm die Worte der Stimme tief in seinem
Inneren auf.
Dann
sprach wieder die Stimme zu ihm: „Die vierte und letzte Kraft ist die Kraft der
Stäbe. Es ist die Energie des inneren Feuers, deiner Leidenschaft, deines
Ausdrucks und deiner Lebendigkeit. Lasse diese Energie niemals versiegen, denn
es ist auch die Energie deiner Kreativität und damit der Arbeit, die dir
wiederum die Münzen bringt, die du benötigst.“ Konstantin besah sich den Stab
genau, drehte und wendete ihn und merkte sich die Informationen, die die Stimme
ihm gab, sehr genau.
Konstantin
nahm noch einmal alle Gegenstände in die Hand, besah sich ihr Aussehen und
merkte sich jedes Detail ihrer Beschaffenheit, damit er sie niemals vergessen
konnte. Und er fragte sich, wie er jemals alles dieses Wissen anwenden sollte,
denn es war nicht leicht, immer und zu jeder Zeit alle Elemente im
Gleichgewicht zu halten.
Da
schaltete sich die Stimme wieder ein: „Das ist auch nicht nötig. Denke nur
daran. Die Anteile der Elemente werden von Situation zu Situation immer
schwanken. Mal ist dieses mehr und dann wieder das andere weniger. Darum geht
es auch nicht. Es geht darum, das du der Magier bist, der sich entscheiden
muss, wie viel er von welchem Element in der jeweiligen Situation benutzen
möchte. Vergiss nicht: Du bist der Magier. Du entscheidest. Immer.“
Plötzlich
hatte Konstantin das Bedürfnis, über all das nachzudenken, was er gehört hatte.
So zog er den Umhang wieder aus und legte ihn ordentlich auf den Tisch zurück.
Er schaute noch ein letztes Mal auf die Gegenstände und machte sich dann auf
den Nachhauseweg. Nach einigen Schritten drehte er sich noch einmal um, aber
der Tisch und alle Utensilien waren verschwunden.
Aber
das Wissen in seinem Kopf war noch da und ein Satz wollte ihm nicht aus dem
Kopf gehen und er überlegte viele, viele Tage, was die Tiefe seiner Bedeutung
war: „Vergiss nicht: Du bist der Magier. Du entscheidest. Immer.“ Und eines
Tages hatte er begriffen und da war er wirklich der Magier seines Lebens
geworden – und auch sein Problem, mit dem er sich plagte, war zu seiner
Zufriedenheit gelöst.
Informationen zum Tarotkartenlegen: